Diese Etappe hatte ich mir auf jeden Fall anders vorgestellt. Fast nur bergab, kaum Höhenmeter – eigentlich müsste ich ja flott vorangekommen, dachte ich mir, als ich mit dem Finger auf der Karte den geplanten Weg verfolgte. Aber in der Natur sieht es dann doch anders aus. Kein Wunder, dass dieser Abschnitt auf der offiziellen Webseite fehlt 🤣 Aber dazu später mehr.
Gerolding
Kirche Gerolding
Recht gemütlich starte ich bei der Kirche in Gerolding. Ich fülle meine Wasserflaschen auf und esse meine Riegel. Nach der vorherigen Wanderung muss ich noch Energie tanken. Noch ahne ich nichts von den kommenden Strapazen. Oh weh.
Gerolding liegt auf einem großen waldfreien Fleck am südlichen Rande des Dunkelsteinerwaldes. Von der Kirche, die auf einer Hügelkuppe sitzt und deren Grundmauern von einer Wehranlage stammen, hat man einen prächtigen Blick ins Alpenvorland. Oben im Kirchturm muss es wunderbar sein. Eingezäunt wird die Kirche von dem Friedhof und verleiht ihr deshalb einen mittelalterlichen Charme.
Heutzutage befinden sich Friedhöfe oft etwas abseits der Kirche und des Ortszentrums, aber in der Vergangenheit war es üblich, die Toten so nah wie möglich bei der Kirche zu begraben. Schließlich ist die Kirche im Christentum metaphorisch das Haus Gottes.
Aussicht Halterberg
Ich verlasse Gerolding, werde aber bald wieder zurückkehren. Der Weg macht eine kleine Schleife, um eine kleine Erhebung, den Halterberg, zu besteigen. Er ist es definitiv wert. Die Aussicht vor allem in Richtung Donau ist fantastisch. Mit Adleraugen kann ich auch die folgenden Stationen erkennen: Schloss Schönbühel und Stift Melk.
Zurück in Gerolding folge ich der Straße zur Rotte Harrerhof. Von hier geht es dann hinab in die Schlucht des Siecherbaches, der bei Gerolding unterhalb der Kirche entspringt.
Siecherbach
Der dichte Baumbewuchs verdunkelt die Schlucht. Der erste Kilometer entlang des Baches auf einer wenig befahrenen Waldstraße läuft sich noch recht flüssig. Es geht angenehm bergab, nur die reichliche Vegetation aus Farnen und Brennnesseln stört mich ein wenig.
Zwischen Socken und kurzer Hose liegt meine Haut frei. Mein Fehler. Nach meinem oberflächlichen Kartenstudium hatte ich einen schönen Forstweg erwartet, wie im Großteil des Dunkelsteinerwaldes. Dazu kommt der Frühling. Alles sprießt fröhlich. Glücklicherweise treffe ich auf keine stacheligen Wildhimbeersträucher. Aber die Brennnesseln kribbeln.
Ich erkenne an zwei Bäumen das Zeichen der Dunkelsteinerwald-Runde. Also am richtigen Weg bin ich. Der nächste Abschnitt wird abenteuerlich.
Die Spur wird enger, bis nur mehr ein kleiner Trampelpfad übrig bleibt. Die erste Bachüberquerung wartet auf mich. Drei Steine signalisieren den Übergang: Hier musst du rüber. Ich fühle mich wie in einem Videospiel. Fehlt nur noch, dass sich mir Zombies entgegenstellen, so wie in The Last of Us 🧟 Das schlauchartige Leveldesign erlaubt kein Ausbrechen. Jeder Übergang ist überraschend einfach zu finden.
Und wieder drei Steine. Eins … Zwei … Drei 💦 und der Bach ist mit Hopsern überquert.
Schon wieder geht es hinunter zum Bachbett. Beschwingt sprudelt das Wasser. Spaß macht es, aber reichlich Zeit kosten die Überquerungen auch. Wie oft hab ich den Bach schon überquert? Ich habe beim Zählen den Überblick verloren.
Ich sehe ein Gebäude. Endlich, das letzte Mal. Soll ich hier auch die Steine nehmen oder doch die zwei Bretter? So ganz sicher wirken sie nicht. Aber die Steine sind so weit auseinander. Dann doch die Bretter, warum sind sie denn sonst da?
Schloss Schönbühel
In Schönbühel kann man das hiesige Schloss besuchen. Leider nur von außen, da es in Privatbesitz ist. Es liegt jedoch nicht ganz am Weg. Man muss zuerst in den Ort rein und dann wieder raus, um die Etappe fortzusetzen.
Bei einer anderen Routenführung, wie zum Beispiel jener der 9. Etappe des Welterbesteigs, wandert man am Schloss vorbei. Wer weniger Abenteuer möchte, sollte diese Route wählen. Sie führt nach Berging und entlang einer Waldstraße hinauf nach Gerolding.
Eine Wehranlage im Eigentum des Bistums Passau aus dem 9. Jahrhundert bildet die Grundmauern des Schlosses. Im Laufe der Jahrhunderte saßen auf der Burg zahlreiche Ministerialgeschlechter, bis die Burg in den Besitz der von Starhemberg gelangte.
Trotz der kurzfristigen Konvertierung zum Protestantismus konnte die Familie den Besitz erhalten. Andere Besitzungen der Familie wurden konfisziert und Klöstern übergeben.
Das heutige Aussehen ist jedoch jüngeren Ursprungs. 1819 wurde das Schloss verkauft, der neue Eigentümer ließ es für einen Neubau abtragen.
Da es schon spät ist, spare ich mir den Weg zum Schloss. Die Sonne soll in rund zwei Stunden untergehen und ich muss noch nach Melk. Sofort biege ich nach links und wandere auf einem Trampelpfad hoch nach Hub.
Hub
Vor mir tapst gemütlich ein eigentümlicher Wanderer. Oh, es ist eine Katze 😲 Sie folgt wie ich den engen Trampelpfad. Vielleicht handelt es sich gar um eine pilgernde Katze. Der Wanderweg ist immerhin Teil des Jakobsweges.
Ganz geheuer bin ich ihr nicht. Bei der nächstbesten Abzweigung weicht sie mir aus. Ich versuche, ihr gut zuzureden. Vielleicht lässt sie sich streicheln. Sie sitzt in beobachtender Haltung. Doch mit jedem Schritt, den ich vorwärts wage, geht sie zwei zurück. Das wird nichts mehr.
In Hub genieße ich nochmals den Blick über die Donau und die rote Abendsonne. Hurtig hinab zur Pielachmündung. Ein putziger Golden Retriever will mich zunächst noch beschnüffeln. Er meint, er kennt mich und ist hocherfreut. Sein Herrchen fügt verlegen hinzu, „Für Bobby ist jeder ein Freund.“ Wenigstens Bobby lässt sich streicheln.
Melk Donauau
Das letzte Stück nach Melk verläuft flach am Fahrradweg. So spät abends fährt zum Glück kaum jemand. Der Weg ist nicht breit. Ich fühle mich ein bisschen fehl am Platz. Auch meine Kräfte schwinden langsam.
Kurz vor Melk nehme ich noch einen kleinen Umweg. Es geht noch in die nahegelegene Donauau bevor ich vor der Bühne der Sommerfestspiele Melk stehe. 2025 steht Praterstern – Szenen aus unserem tragikomischen Leben am Programm. Die Stücke sind immer fantastisch.
Mit der Überquerung der Fußgängerbrücke, von der ich einen wunderbaren Blick auf Stift Melk genieße, erreiche ich schließlich die Altstadt von Melk.