Auch bei einem kurzen Erholungsurlaub im Thermenland und Vulkanland der Steiermark darf eine Wanderung in der Umgebung nicht fehlen. Allzu schwierig wird sie nicht, denn das Land ist flach und ich wandere entlang der Mur.
Bad Radkersburg
Glänzend präsentiert sich der Hauptplatz von Bad Radkersburg. Die Sonne und die Architektur der angrenzenden farbenfrohen Häuser verleihen der Stadt ein südländisches Flair. Ich glaube, ich befinde mich in Italien. Aber das ist kein Zufall.
Denn italienische Einflüsse finden sich zur Genüge, auch abseits der Gelato, welche im Café angeboten wird. Im 16. Jahrhundert engagierte der Landesherr der Steiermark den italienischen Baumeister Domenico dell’Allio für den Bau einer neuen Stadtmauer, um die Stadt Bad Radkersburg vor den türkischen Heeren zu schützen.
Die Erfindung von Schwarzpulver und dessen spätere Nutzung für Kanonen veränderte den Festungsbau radikal. Frühere Befestigungsmauern, die vorrangig hoch und schlank waren, konnten von den Kanonen ohne Probleme zerstört werden. Sie boten daher keinen Schutz mehr vor den Angreifern. Ein Durchbruch war nach kurzem Beschuss möglich. Als Antwort darauf wurde in Italien die Bastion entwickelt – ein dicker, befestigter Wall, Kurtine, in der Form eines Pentagons mit vorgezogenen Geschütztürmen, den Bastionen. So war man vor den Kanonen eine Zeit lang sicher.
Und genau eine solche Befestigung sollte für Bad Radkersburg gebaut werden. Abgesehen von den fehlenden Stadttoren ist die Befestigungsanlage nach wie vor exzellent erhalten. Vor ihr breitet sich ein weiter Graben aus, der einst mit Wasser aus der Mur gefüllt war und als Schussfeld diente. Seit der Trockenlegung präsentiert er sich im Frühling als blühende Wiese.
Auch abseits der Stadtbefestigung und des Hauptplatzes gibt es noch mehr in der Altstadt von Bad Radkersburg zu bewundern. Zu den gotischen Kirchen gesellen sich zahlreiche Bürgerhäuser und Palais aus der Renaissance.




Langsam, aber doch, mache ich mich auf den Weg zur Mur und verlasse die Altstadt. Die Mur ist auch einer der Gründe, weshalb Bad Radkersburg im Mittelalter Bedeutung erlangte: Sie ist breit, fließt schnell und führt reichlich Wasser. Viele Übergänge über den Fluss gibt es deswegen nicht. Einer davon, eine Holzbrücke, befand sich bei Bad Radkersburg. Dass die Stadt an einer wichtigen Handelsstraße lag, erkennt man auch am Wappen, welches ein einfaches Rad abbildet.
Gornja Radgona
Mit dem Ende des 1. Weltkrieges sah sich die Stadt jedoch mit drastischen Veränderungen konfrontiert. Einst verband sie die Steiermark über die Mur, doch von nun an wurde sie als Grenzstadt in die Peripherie verbannt – Endstation. Die Gebiete südlich der Mur wurden dem Königreich der Slowenen, Kroaten und Serben zugesprochen, weshalb die Vorstadt und die Burg Oberradkersburg von der Stadt Radkersburg getrennt wurden.
Erst mit dem Schengen-Beitritt Sloweniens konnten die Barrieren endlich abgebaut werden. Ohne strenge Grenzkontrolle gehe ich somit über die Brücke, als würde ich nur den Stadtteil wechseln und nicht gleich das Land. Mein nächstes Ziel ist dann auch die Burg, welche die Mur und Bad Radkersburg von einer rund 50 Meter hohen Anhöhe aus überwacht. Erste Erwähnungen der Burg stammen aus dem 12. Jahrhundert, kurz vor der Städtegründung von Bad Radkersburg.
Eine steile Treppe führt hinauf zur Burg. Das Bauwerk selbst kann ich leider nicht besuchen. Es ist in Privatbesitz und vorrangig für Veranstaltungen geöffnet. Auch eine frei zugängliche Aussichtsplattform befindet sich entlang des Anstiegs. Doch zu meiner Enttäuschung kann ich Bad Radkersburg kaum von oben betrachten. Dichter Bewuchs behindert den Ausblick auf die Stadt.
Von der Burg laufe ich wieder schnurstracks hinunter nach Gornja Radgona und zur Mur. Der einzige wirkliche Anstieg meiner Tour ist abgeschlossen. Jetzt wird es flach in den Murauen.
Entlang der Mur
Der Weg führt fast durchgehend entlang der Mur auf einer Waldstraße, manchmal wird’s auch ein bisschen enger. Aber grundsätzlich ergeben sich keine Schwierigkeiten. Freude bereitet mir der weiche Sandboden. Obwohl sich die Mur ein paar Meter unterhalb befindet, ist der Boden hier sandig. Das könnte bei starkem Regen vielleicht etwas problematisch sein.
Die Au ist jetzt im Frühling üppig grün. Das dichte Blätterwerk dämpft den Lärm der nahen Straßen und Dörfer. Wunderbar ruhig. Nur das fröhliche Gezwitscher der Vögel durchbricht die Stille. Ein Rückzugsort nicht nur für den Mensch, sondern auch für die Tierwelt der Mur. Biber, Fischotter, zahlreiche Amphibien und Vögel haben hier eine Heimat gefunden.
Radenci
Etliche Kilometer folge ich der Mur, bis ich nach Radenci komme, wo sich die nächste Murbrücke befindet. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Ortschaft zu einer kleinen Kurstadt, nachdem der Arzt Karol F. Henn dort eine besonders kohlensäurereiche, warme Mineralwasserquelle gefunden hatte. Eine Kuranstalt wurde gegründet und das Wasser abgefüllt – somit auch lange vor Bad Radkersburg, wo eine heiße Quelle erst in den 1970ern entdeckt wurde.
Der Glanz der historischen Kuranlage lässt sich leider nur mehr in alten Fotos bewundern. Der Großteil der Gebäude ist dem Verfall preisgegeben und sie erinnern mehr an Lost Places als an eine Badeanlage. Zumindest der Badebetrieb ist weiterhin aufrecht. In den 1980ern wurde ein Hotelkomplex mit angeschlossener Therme errichtet, die sich zum Teil aus eben erwähnter Quelle speist.
Bei meiner Ankunft arbeiten gerade Bauarbeiter an ein paar der verfallenen Gebäude im Kurpark. Mal sehen, was die Zukunft bringt. Vielleicht erstrahlen sie ja irgendwann in alter Pracht und werden wieder einer Nutzung zugeführt, anstatt langsam zu verfallen.
Biosphärenpark Unteres Murtal
Ich verlasse Radenci und überquere wieder die Mur. Diesmal wechsle ich jedoch nicht das Land. Noch nicht. Denn die Grenze ist nur ein paar 100 Meter flussaufwärts. Zunächst ein Feldweg mit einer kleinen Brücke über ein Bächlein, dann ein Trampelpfad führen mich zum Grenzübergang. Ein geheimer Schmugglerweg?
So geheim wird er nicht gewesen sein. Zwei Schilder markieren die Grenze. Slowenien hier – Österreich da. Nicht sehr spektakulär. Wo genau die Grenze weiter verläuft, lässt sich nicht so einfach erahnen. Die Vegetation der Au ist zu reich, zu dicht.
Ein paar Meter weiter wartet auch schon der Grenzposten. Eine kleine Holzhütte, dicht überwachsen mit Kletterpflanzen. Die Natur kennt keine Grenzen. Hier wacht schon lange niemand mehr. Na ja, vielleicht ist’s ja Tarnung.


Jetzt wandere ich wieder entlang der Mur. Die Au ist Teil des Biosphärenpark Unteres Murtal. Mit ihren slowenischen, ungarischen, kroatischen und serbischen Pendants an Mur, Drau und Donau bilden sie das größte Flussschutzgebiet Europas. Das UNESCO Biosphärenreservat Mura-Drava-Danube umfasst fast eine Million Hektar an Schutzfläche für die Flora und Fauna dieser Flüsse.
Die Vögel zwitschern erfreut auch auf der österreichischen Seite. Ein paar einheimische Hundehalter kreuzen meinen Weg. Auch sie nutzen die Ruhe der Au gerne für ihre Spaziergänge. Allmählich nähere ich mich wieder Bad Radkersburg. Sicherlich nicht die aufregendste Runde ohne fantastische Ausblicke, aber trotzdem ein schöner, ruhiger Vormittag in der Natur mit ein bisschen Sightseeing.
Nach dieser Wanderung habe ich mir auf jeden Fall einen heißen Saunagang und eine kräftige Massage verdient. Die Pools werde ich natürlich auch noch für ein paar Längen in den nächsten Tagen nutzen.